Originalität ist ein Ammenmärchen

„Deine Kunst muss originell sein.“ Das oder etwas ähnliches hat jede von uns schon einmal gehört. Aber was bedeutet es als Kreativschaffende originell zu sein?

Die laut dem Duden anerkannte Bedeutung des Wortes „Originalität“ kann in zwei Kategorien unterteilt werden: die Echtheit eines Werkes oder Dokumentes und die „[auffällige] auf bestimmte schöpferische Einfällen, eigenständigen Gedanken o.Ä. beruhende Besonderheit“. Das DWDS stimmt dem Duden zu, beschreibt Originalität jedoch recht simpel in zwei Worten „Ursprünglichkeit“ und „Einmaligkeit“. Interessanterweise führt das DWDS zusätzlich noch folgende Bedeutung auf: „eigentümlicher, durch seine besondere und einmalige Art auffallender Mensch, Original“. Ich muss gestehen, dass ich dabei sofort an die Frau denken muss, deren Lieblingsfarbe Grün ist und die deshalb sowohl sich selbst als auch ihre Wohnung nur in Grün ausstaffiert.

Jetzt denkst Du vielleicht, „Da siehst Du, Aisleen, der Blogartikel hat noch nicht mal richtig angefangen und schon hast Du Deine eigene These widerlegt!“ Jain! Ja es gibt Menschen, die so auffälig und eigentümlich sind, dass sie herausstechen. Jede Stadt hat mindestens eine Person, die stadtbekannt ist. Sei es weil sie sich nur in grün kleidet oder ihr Fahrrad voller Klingeln und Hupen ist und man schon 10 Minuten vorher hören kann, dass diese Person in der Nähe ist. Das ist aber nicht die Originalität (die viel zu oft ulkig erscheint und von außen lediglich belächelt wird – ob gerechtfertigt oder nicht sei erstmal dahingestellt) über die ich heute mit Dir sprechen möchte.

Die Originalität, die uns Kreative quält, hat viel mehr mit unserer Arbeit selbst zu tun als mit unserem Auftreten. Auch wenn unser Erscheinungsbild als Kreative keines falls unterschätzt werden darf!

Die Originalität, die ich meine, ist der verzweifelte Kampf etwas noch nie Dagewesenes zu kreieren. Einen Beat, den noch nie jemand gehört hat. Ein Bild, dass noch nie jemand gemalt hat. Ein Schreibstil, den noch nie jemand zuvor gelesen hat. Und so weiter.

Das Interessante an der Originalität ist, dass wir sie viel zu oft als Vakuum betrachten. Als Kreative originell zu sein bedeutet für viele sich deutlich von anderen Kreativen abzugrenzen und seine Ideen aus dem Nichts zu ziehen. Dies kann dazuführen, dass man nicht nur seine eigene Kreativität blockiert, sondern auch regelmäßig mit dem sogenannten „Imposter-Syndrom“ zu kämpfen hat.

Imposter-Syndrom, zu deutsch Hochstapler-Syndrom, bezeichnet das Gefühl unrechtmäßig etwas erreicht zu haben oder nicht gut genug zu sein, um seine Ziele zu erreichen bzw. Projekte erfolgreich umzusetzen. Man kann seine Erfolge nicht feiern und genießen, weil man ständig Angst hat als Hochstapler herausgefunden und in Schande davon gejagt zu werden.

Erfolgreiche Kreative, seien es MusikerInnen, KünstlerInnen, ModedesignerInnen oder andere, (sofern sie keinem Gott-Komplex verfallen sind) wissen, dass ihre „Originalität“ nicht voll und ganz ihre eigene ist. Sie ist ein Zusammenspiel all ihrer Vorbilder, Einflüsse, Lieblings-XY, nostalgischer Erinnerungen usw. Was andere als herrausragende Originalität bezeichnen ist in Wahrheit eine mit viel Liebe und Fürsorge erstellte Patchworkdecke, deren einzelne Stoffstücke ein neues eigenständiges Ganzes schaffen.

Da alle Menschen auf Basis einer solchen metaphorischen Patchworkdecke Ideen entwickeln und Entscheidungen treffen, stellt sich die Frage warum gibt es solche (zum Teil sehr großen) Qualitätsunterschiede in der jeweiligen „Originalität“? Was ist z.B. der Untschied zwischen der Originalität eines Alexander McQueen und der eines No-Name Designers bei Fast Fashion Label?

Der Unterschied liegt in dem Umgang mit den Einflüssen, die diese „Patchworkdecke der Originalität“ ausmachen. Sie existiert nicht einfach. Sie wurde und wird kuratiert. Es wird sich intensiv mit den eigenen Einflüssen, aber auch mit den Projektbezogenen Einflüssen, auseinandergesetzt. Nach Ursprüngen recherchiert (z.B. wer wurde von wem, was und wie inspieriert). Sich in völlig themenfremden Bereichen umgeschaut. Und wenn es sein muss eine ganz neue Decke angelegt.

Und auch wenn ich jetzt am Ende zugeben muss, dass Originalität sehr wohl existiert, tut sie es eben nicht so wie viele es von ihr erwarten.

Deshalb hoffe ich, dass ich Dir geholfen habe zuverstehen, dass ein krampfhafter Versuch originell zu sein dich weder glücklich noch kreativ machen wird. Deshalb empfehle ich Dir dich näher mit Dir selbst, Deinen Interessen und unbewussten Einflüssen zubeschäftigen. Denn mit authentischer Kreativität kommt die wahre Originalität ganz von allein.

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